von André Frenzer

So – oder zumindest ganz ähnlich – beginnt jede Runde des Erzählspiels „Die Wretched“. „Die Wretched“ erschien im Englischen bei Loot The Room, dem Indie-RPG-Label von Chris Bissette. Mit „Die Wretched“ wurde eine ganze Spielereihe begründet, die sich um das Schicksal Einzelner in aussichtslosen Situationen dreht. Nun liegt die per Crowdfunding finanzierte deutsche Version beim Verlag Obscurati Publishing vor. Worum aber geht es eigentlich?

„Die Wretched“ ist ein Solo-Rollen- oder Erzählspiel. Hier schlüpft der Spieler in die Rolle des letzten Überlebenden des Raumschiffes Wretched, welches eine unschöne Begegnung mit einer außerirdischen Kreatur hinter sich hat. Nachdem das Alien die gesamte Besatzung getötet hat, gelang es der Spielfigur, die Kreatur durch eine Luftschleuse in den Weltraum zu befördern. Doch entgegen aller Wahrscheinlichkeit überlebt das Wesen auch dort und sucht nun nach einem Weg ins Innere – zum Spieler … Daneben hat auch das Raumschiff selbst einige Beschädigungen abbekommen – die Situation scheint aussichtslos, doch der menschliche Überlebenswille ist unaufhaltsam.

Wie viele Erzählspiele setzt „Die Wretched“ auf den Einsatz eines Kartenspiels. Daneben wird der Einsatz eines „Jenga“-Turmes – als Rollenspiel-Accessoire nicht zuletzt seit „Dread“ kaum wegzudenken – empfohlen. Mithilfe der Spielkarten werden zufällig Situationen bestimmt, welche die Spielfigur an Bord der Wretched erleben muss. Das kann die Reparatur eines wichtigen Schiffsbauteils sein, das Auffinden eines toten Kameraden oder eine Interaktion mit dem außerirdischen Killer, der einem nach wie vor nach dem Leben trachtet. Sind alle für den jeweiligen Tag gezogenen Karten abgehandelt, so spricht man nun seine Erlebnisse ein – oder führt Tagebuch, je nachdem, welche Form der Aufzeichnung mehr gefällt. So entsteht eine düstere, sogartige Geschichte um Einsamkeit, Isolation, Angst und Überlebenswille, welche seine Inspiration sicherlich in Filmen wie „Alien“ oder „Event Horizon“ zieht.

Sobald es um die Infrastruktur des Schiffes geht, muss einer der Holzklötze des Turmes gezogen werden – sollte dieser zum Einsturz kommen, haben wir das Spiel verloren und das Schiff zerbricht. Ebenso endet das Spiel, wenn wir alle vier Könige gezogen haben, denn dann findet das Wesen einen Zugang zum Schiff. Die einzige Hoffnung besteht darin, die Funkanlage zu reparieren und den Antrieb des Schiffes wieder flott zu bekommen – doch die Hürden sind hoch und eine Rettung unwahrscheinlich.

Von allen Erzählspielen, die ich kenne, ist „Die Wretched“ sicherlich eines der trostlosesten und deprimierendsten – und damit zugleich auch eines der spannendsten. Das Logbuch, welches am Ende dieser Reise erschaffen wurde, legt beredtes Zeugnis vom menschlichen Überlebenswillen und dem ungleichen Kampf gegen alle Aussichtslosigkeit ab. Damit ist „Die Wretched“ sicherlich nichts für jeden Spieler – wer sich aber schon immer einmal wie Lt. Ripley fühlen wollte, findet hier das perfekte System dafür.

„Die Wretched“ liegt als 24-seitiges A5-Softcover-Heft vor. Das Layout ist sauber, steril und aufgeräumt und unterstützt damit sogar die kalte Atmosphäre. Die wenigen Illustrationen sind hochwertig. Wer die digitale Variante ersteht, erhält darüber hinaus noch einen Soundtrack, welcher ebenfalls zuvor per Kickstarter finanziert wurde, um die Stimmung beim Spiel weiter zu unterstützen. Das Komplettpaket weiß also optisch wie akustisch durchaus zu gefallen.

Fazit: „Die Wretched“ will eine ganz spezielle Nische bedienen und tut das ganz hervorragend. Die Umsetzung des Survival-Horrors ist absolut gelungen. Wer sich mit diesem Thema anfreunden kann, darf auf jeden Fall einen Blick riskieren.

Die Wretched
Grundregelwerk
Chris Bissette, Sascha Schnitzer
Obscurati Publishing 2024
ISBN: n. a.
24 S., PDF-Datei, deutsch
Preis: 12,00 EUR

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