October Daye 3 – Nachtmahr

Jedem Bewohner Faeries wurde als Kind die Gruselgeschichte von Blind Michael erzählt, der mit seiner Schar in Vollmondnächten als Kinderdieb über die Hügel von Berkley jagt. Dumm nur, wenn allzu real die Kinder von October Days Freunden entführt werden und alles auf diese Legendengestalt als Übeltäter hindeutet. Aber gibt es jemanden, der sich freiwillig mit einem Erstgeborenen anlegt? Auftritt: Ritter Toby.

von Lars Jeske

October Daye zum Dritten. Nach den letzten überstandenen Abenteuern kehrt zur Abwechslung einmal Ruhe in Tobys Alltag ein. Neben kleinen Aufträgen bleibt ihr sogar genügend Zeit, beim Kindergeburtstag ihrer Freunde vorbeizuschauen. Allerdings ereignet sich alsbald ein komischer Vorfall, denn nach dem nächsten Vollmond ist ein Kinderzimmer leer und ein weiteres Kind verschwunden. Als einziger Hinweis gibt es die Fenster, in welchen die Glasscheiben kochend heiß sind. Blind Michael.

Da es um die Kinder ihrer besten Freunde Stacy und Mitch geht, nimmt October die Sache persönlich und sich des Falles gern an. Ende mit der Gemütlichkeit. Als ihr zugetragen wird, dass noch viel mehr Kinder verschwunden sind und sie sogar der König der Katzen bittet, Nachforschungen anzustellen, verschlägt es Toby erneut nach Faerie. Dieses Mal muss sie sich mit einem Erstgeborenen anlegen, der eher in den Bereich der Mythen und Legenden zählt. Dies verbessert Tobys Ausgangslage nicht unbedingt. Blind Michael herrscht in seinen Landen und kann auch nur dort herausgefordert werden, um die geraubten Kinder zurückzubringen. Nicht, dass dies an sich nicht schon schwierig genug wäre, bekommt Toby doch zu allem Überfluss auch noch Besuch von ihrem Holing – quasi ihre lebendige Todesnachricht in Form ihrer selbst als Kopie. Vorstellig wird dieses identische Abbild als May Daye (herrliches Wortspiel), und nun kann Toby sich sicher sein, dass ihre Tage gezählt sind und sie dieses Abenteuer zur Abwechslung einmal nicht überleben wird.

Dies schürt natürlich umso mehr Tobys Ehrgeiz und provoziert die trotzige Jetzt-erst-Recht-Reaktion.  Glücklicherweise hat Ritter October Daye weiterhin in der Luideag eine starke Verbündete, die ihr – wie immer nicht ohne Gegenleistung – hilft. In diesem Fall hat die alte Meerhexe sogar persönliche Gründe, Toby zu helfen. Während des Abenteuers erfährt Toby sogar etwas mehr über ihre Abstammung und ihre Mutter, allerdings nicht das, was sie erwartet hat. Als dieses Abenteuer bei Blind Michael überstanden scheint, beginnt der Schlamassel für Toby allerdings erst richtig, und die zweite Hälfte des Romans hat es dadurch noch mehr in sich.

Yes, Toby strikes again. Wie erhofft, macht Toby auch im dritten Band der Reihe eine gute Figur. Sogar Quentin ist erneut dabei, perfekt. Die reale Welt wird verlassen und ein weiterer Teil von Faerie dem wissbegierigen Leser enthüllt. Trotz der erneut gesteigerten Strapazen, die Toby erleidet, verliert sie nicht ihren typsichen Charme und ihre witzige, ironische und bisweilen zynische Art der Welt entgegenzutreten. Erst gegen Ende verliert sich dieser Wesenszug etwas, aber da wird es auch ernst und ist somit gerechtfertigt. Die ausgefeilte und überaus interessante und spannende Story ist durchweg logisch aufgebaut und plausibel, was die Dichte der Atmosphäre zusätzlich nährt und dem Leser wahrlich das Gefühl gibt, dass sich alles so zutragen könnte.

Fazit: Erneut schrieb Seanan McGuire im nunmer dritten Abenteuer rund um October Daye eine rundum gelungene Geschichte, die von der Storyline her erneut noch ausgefeilter und besser ist als die der Vorgänger. Wiederum ein echter Pageturner. Man ist viel zu schnell mit den knapp 400 Seiten durch. Die vorangegangenen Bände gelesen zu haben, ist nicht zwingend nötig. Die Geschichte versteht man auch ohne dieses zusätzliche Wissen. Fantasyaffinen Lesern, die eine in diesem Setting glaubwürdige Geschichte lesen wollen, sei vor allem dieser Band ans Herz gelegt. Für mich das Buchhighlight 2011. (Nicht nur, weil auch erstmalig ein günstig gewählter deutscher Titel von „An Artificial Night“ den Bezug zum Inhalt nicht vermissen lässt. Es muss schließlich nicht immer Shakespeare sein.)

Anmerkung: Durch den gemeinsamen Ankauf der Publikationsrechte für den deutschsprachigen Raum erschienen die ersten 3 Bände der October-Daye-Reihe bei Egmont-Lyx in zeitlich kurzen Abständen. Ein Fest für die Fans, wurden sie doch schnell mit Nachschub versorgt. Leider sieht es im Moment für die weiteren Bände eher schlecht aus, eine deutschsprachige Veröffentlichung durch Egmont-Lyx ist nicht geplant. Falls Seanan McGuire indes nach diesem bisher imposantesten Band der Reihe ihr Niveau halten kann, ist es hoffentlich nur eine Frage der Zeit, bis sich diese Klasse durchsetzt, da die Fangemeinde von October Daye weiter anwächst. Deutsche Ausgaben der nächsten Romane dieser Reihe sind dann hoffentlich nur noch eine Frage der Zeit.


October Daye 3 – Nachtmahr
Urban Fantasy-Roman
Seanan McGuire
Egmont-LYX 2011
ISBN: 978-3-8025-8290-5
374 S., Paperback, deutsch
Preis: EUR 12,99

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